Rechtsprofessor John Tehranian sagt nein. Tatsächlich sei es nicht einmal möglich, einen einzigen Tag zu überstehen, ohne Copyrightverstöße zu begehen, die prinzipiell mit Strafen in Millionenhöhe zu ahnden wären. Dies durch vollkommen alltägliche Handlungen - wenn wir diesbezüglich legal leben wollten, hätten wir nicht von den Bäumen herunterklettern dürfen.
Einen Beitrag zu einer Copyright-Konferenz in Utah versah Professor Tehranian mit einem fiktiven Tagesablauf im Leben eines fiktiven Juradozenten, der es mit seinen alltäglichen Verrichtungen Copyrightverstöße begeht, die mit etwas über 12 Millionen Dollar, alternativ seiner "physischen Vernichtung" geahndet werden könnten.
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Einige "Fair-Use-Fälle tauchen in der fiktiven Geschichte auf, und einige Gesetzgebungen, die in Deutschland nicht entsprechend geahndet würden - angesichts der fortgesetzten Verschärfungen der Copyrightregimes ist das jedoch nicht gerade beruhigend, sondern wirkt eher als Ausblick darauf, was die Zukunft bringen könnte.
Allein seine Mails, die er morgens weiterleitet, könnten dem hypothetischen "John" drei Millionen Dollar Schadensersatzforderungen einbringen, falls er Fullquote aktiviert hat und unerlaubterweise beim Forwarden damit gegen das Copyright der Sender verstößt. Die Verteilung von Kopien jüngst erschienener Rechtsartikel in seinem Seminar würde "John ebenfalls teuer kommen, und selbst die vom Architekten John Gehry inspirierten Kritzeleien, die er während einer langweiligen Fakultätssitzung macht, stellen ein unerlaubtes Derivat eines urheberrechtlich geschützten architektonischen Entwurfs dar.
Eine Gedichtlesung in seiner Literaturklasse ist ebenso untersagt wie die Weiterleitung von fünf Fotografien eines Freundes, die dieser beim Footballspiel der Utes aufgenommen hat. Richtig gefährlich wird das kurze Schwimmen im Universitätsschwimmbad: Weil er sich eine von Hanna Barbera lizenzierte Cartoonfigur hat tätowieren lassen (Copyrightverstoß), ist der Badespaß gleichzeitig die unerlaubte öffentliche Vorführung eines geschützten Werks, die theoretisch mit angeordneter Laserentfernung geahndet werden kann (alternativ natürlich die "sofortige komplette Zerstörung").
So geht der fiktive Tagesablauf noch externer Link in neuem Fenster folgteinige Stunden weiter, am Ende kommt Tehranian auf mindestens 83 Urheberrechtsverstöße, die mit Schadensersatz in Höhe von 12,45 Millionen Dollar geahndet werden könnten. Dabei hat "John" weder einen Brenner benutzt, noch ein Filesharingprogramm angeworfen. Aufs Jahr hochgerechnet wären über viereinhalb Milliarden Dollar fällig - Strafen und Gerichtskosten nicht inbegriffen.
Überspitzt? Sicherlich. Doch es dürfte ein interessantes Gedankenexperiment sein, sich einen normalen Tagesablauf unter geltendem Recht in Deutschland auszumalen und zu notieren, wann gegen welche Urheberrechte verstoßen wird. Insbesondere die Verstöße im wissenschaftlichen Betrieb - Kopien für Studierende, beispielsweise - sind auch in Deutschland externer Link in neuem Fenster folgtab 2008 rechtlich in graueren Bereichen angesiedelt.
Wo kein Kläger, da kein Richter - aber dass eine Gesetzgebung, die praktisch 100% der Wohnbevölkerung zu Kriminellen macht, nichts mehr mit der Realität zu tun hat, sollte einleuchten. Wie gesagt - wenn wir nicht gegen Urheberrechte verstoßen wollen, dann hätten wir nie von den Bäumen klettern dürfen. Wenngleich bekanntlich externer Link in neuem Fenster folgtvon berufener Seite auch behauptet wird, bereits die Bäume seien ein Fehler gewesen und man hätte die Ozeane nie verlassen sollen.